Peter Foeller - Portrait
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Fenster in unendliche Welten

Ein Besuch im Atelier des 
Berliner Malers Peter Foeller

von Arn Strohmeyer

 

 

 

Man muss ein bisschen findig sein, wenn man den Maler Peter Foeller in seinem Atelier in der Berliner Lützowstraße aufsuchen will. Denn hinter der großen Fassade eines Gründerzeithauses, dessen Eingang eingerahmt ist von einer Kneipe und einem thailändischen Restaurant – vermutet man nicht das kreative Reich eines Künstlers. Vom zweiten Hinterhaus tritt man in einen Hof, mehr eine Hinterhofidylle eigentlich. Rotes Backsteingemäuer, das schon vom Zahn der Zeit angenagt ist und Patina angesetzt hat, aber um so beschaulicher wirkt, umgibt von zwei Seiten das Karre. Große bauchige Tonkrüge, sogenannte Pithoi aus Kreta, scheinen zufällig und absichtslos am Mauerwerk abgestellt und verraten wohl gerade deshalb die unauffällig ordnende Hand des Hausherrn.  

Foeller's Atelier, ein fabrikartig langgestreckter Backsteinbau mit hohem Industrieschornstein, der den Hof zur rechten abschließt, ist ein Kuriosum. Es war in der Vor-Automobil-Zeit die Schmiede des renommierten Kaufhauses Wertheim, in der die Pferde des Unternehmens beschlagen wurden. Die Halterungen an der Außenwand, wo sie angebunden warten mussten, bevor sie die glühenden Hufe angenagelt bekamen, sind noch vorhanden. Und so findet auch der Schornstein seine Erklärung. Als dieHämmer hier auf die Ambosse sausten, das Eisen im Feuer zum Glühen gebracht wurde und der Raum nach dem abgebrannten Horn der Pferdehufe roch, gab es die dem Hof vorgelagerten Mietshäuser noch gar nicht – die Lützowstraße hatte noch ein ganz anderes Gesicht.

Peter Foeller und seine Frau Claudia mussten lange suchen, bis sie dieses Hinterhofkleinod fanden, das sie dann nach eigenen Vorstellungen ausgebaut und gestaltet haben. Dieses Atelier bietet für den Künstler den unschätzbaren Vorteil, mitten in der brodelnden Weltstadt Berlin eine Oase der Abgeschiedenheit und Ruhe gefunden zu haben – ein unentbehrliches Muss für neue Bildideen. Der kreative Rückzug hilft ihm, dann, wenn das Werk getan ist, vor sein Publikum zu treten, das immer wieder erstaunt und fasziniert darauf reagiert, dass die abstrakte Bildsprache des Malers im Ausdruck so unendlich und offenbar unerschöpflich ist. Auf die Frage, wie er das macht, ohne sichzu wiederholen, sagt er: "Genau kann ich das auch nicht erklären. Aber ich denke, dass jedes Bild aus sich heraus immer neue Bilder gebiert. Es ist ein Prozess ohne Ende. Ich habe jedenfalls keine Angst, dass meine Phantasie versiegen könnte." Foeller, Jahrgang 1945 und aufgewachsen in Königsbach, besuchte die Hochschule für Gestaltung in Pforzheim und die Hochschule der Künste in Berlin. Ausgestellt hat er inzwischen fast in der ganzen Welt, was für die Attraktivität seines Werkes spricht. Er gehört also zu den Arrivierten im Lande.

Es ist nicht leicht, die Bildsprache Foellers, zu beschreiben. So streiten sich die Kunstexperten denn auch, wo sein Werk genau einzuordnen ist. Es entzieht sich offenbar allen vorschnellen Katalogisierungsversuchen, sperrt sich gegen jedes pedantische Schubladendenken. Es gibt aber einen Grundzug, ja ein Gesetz in seinem Werk, das immer wiederkehrt und das ein Kunsthistoriker so umschrieben hat: "Die Erzeugung der ästhetischen Ordnung aus Ordnung und Unordnung ist das Ziel seiner synthetischen Prinzipien." In der Tat – das ist sein Lebensthema: die Gestaltung von äußerst konträren Gegensatzpaaren, für die es viele symbolhafte Namen gibt: klar formender, konstruktiver Geist – Kraft der ursprünglichen Natur, Intellekt – Emotion, Verstand – Mystik, Logik – Alogik, Bewusstes – Unbewusstes, Konsonanz – Dissonanz. In den Bildern erscheint diese Polarität als Gegensatz von geometrischer Form und Amorphem, scharf umrissener Kantigkeit und Wolkig-Nebelhaftem, von Festigkeit und fließender Zerstäubung, von Starre und äußerster Lebendigkeit. Immer verschachtelt Foeller diese Pole in extremer Dichte, so dass sie sich eng überlagern und für intensivste Spannung und Tiefe sorgen. 

Die Frage, woher Peter Foeller seine unendliche Formenwelt nimmt, lässt sich ein Stück weit beantworten, und Kunstexperten haben das natürlich auch ausgiebig versucht. Aber irgendwo tun sich Grenzen der Deutung auf. Vermutlich da, wo das Geheimnis der Seele mit dem Geheimnis der Kunst identisch wird. Aber einen wichtigen Punkt haben seine Interpreten bisher ausgelassen oder übersehen: Den Einfluss seiner intensiven Liebe zu Griechenland. In Plora, einem Bergdorf in Kreta, wo die Menschen – zumeist Bauern – noch in den archaischen Strukturen der Väter und Vorväter leben und wo die moderne Welt und sogar der Tourismus bisher außen vor geblieben sind, hat er sich ein anderes kleines Reich der Kreativität und Intuition geschaffen. 


In einem nach eigenen Plänen und Ideen ausgebauten Landhaus – mit Blick von seinem Atelier auf die weißen Katen seines Dorfes, die weit ausladende Messara-Ebene und das majestätische Idagebirge – arbeitet er viele Monate des Jahres. Fasziniert erzählt er von der so ganz anderen Mentalität und Lebensweise der Menschen hier, die ihn nach anfänglichem Misstrauen inzwischen als einen der Ihren akzeptiert haben. 

Portrait

 

Und so fehlt noch ein Versuch, die Kunst Peter Foellers über die "griechischen Anteile" in ihr zu deuten. Würde man ihn unternehmen, dürften dabei die Begriffe Mythos, Musik und Licht nicht fehlen. Denn alle drei sind in seinem Werk stark präsent. Das mythische Denken – das Leben gedeutet als zyklische Wiederholung – ist ein Teil seines künstlerischen Wesens. Mythische Symbole und Chiffren wie Schiff, Kreuz und Vogel (Phönix), aber auch Atlantis, Minos und Metropolis tauchen in seiner Bildsprache immer wieder auf. Und schließlich ist der polare Gegensatz von Apollinischem und Dionysischem sein ureigenes Element. Dass beide sich nicht feindlich ausschließen, sondern zusammengehören und sich ergänzen, macht das Positive und Hoffnungsvolle in Foellers Werk aus. 

Die Musik ist der ständige Begleiter seines Schaffens. Wenn man sich seinem Haus in Kreta nähert, "tönt" es dem Besucher aus dem Atelier schon von weitem entgegen – oft fremdartige byzantinische oder griechisch-orthodoxe Gesänge, die er besonders mag. Die Frage, wie sich diese Klangwelten und –strukturen in seinen Bildern niederschlagen, wäre ein ganz eigenes Thema. Die Einmaligkeit von Griechenlands Licht ist schon in der Antike und bis heute immer wieder beschrieben, ja besungen worden. Als man den Maler Wolfgang Tübke vor Jahren einmal nach einem noch offenstehenden Lebenswunsch fragte, den er sich unbedingt erfüllen wolle, sagte er: "Einmal Griechenlands Licht sehen und erleben." Peter Foeller weiß vermutlich wie wenige andere um das Geheimnis dieses Lichtes.

Über den Autor: Arn Strohmeyer (*1942) ist Journalist und Autor und war politischer Redakteur bei den "Bremer Nachrichten".
Er hat mehrere Bücher über politische und historische Themen geschrieben sowie Reisebücher über Griechenland und Kreta.